Liefertermintreue in der Tiefe verstehen

Liefertermintreue

Mehr als nur pünktliche Lieferungen

Die Bewertung eines Lieferanten erfolgt heute nicht mehr nur auf Basis von Preis oder Produktqualität. Die Liefertermintreue (LTT) ist ein zentraler Faktor geworden, wenn es darum geht, die Zuverlässigkeit eines Lieferanten zu bewerten.

Doch hier steckt weitaus mehr, als auf den ersten Blick erkennbar ist. Eine hohe LTT zeigt an, dass ein Lieferant in der Lage ist, nicht nur vereinbarte Termine einzuhalten, sondern auch proaktiv auf Abweichungen und Änderungen im Lieferprozess zu reagieren.

In diesem Artikel beleuchten wir die Feinheiten der LTT, deren Berechnung und was Unternehmen beachten sollten, um eine fundierte Bewertung ihrer Lieferanten vorzunehmen.

Liefertermintreue bewerten und einordnen

Die Liefertermintreue gibt Auskunft darüber, wie oft ein Lieferant den vereinbarten Lieferzeitpunkt einhält. Sie ist ein Indikator für die Zuverlässigkeit eines Lieferanten in Bezug auf die Einhaltung von Zeitvorgaben, welche im Produktionsprozess kritisch sein können.

Gängiger Konsens ist, die Termintreue zu berechnen, indem man die Anzahl der pünktlich gelieferten Bestellpositionen durch die Gesamtzahl der einwandfreien Bestellpositionen teilt.

Wobei eine „einwandfreie Bestellposition“ nicht nur eine pünktliche, sondern auch eine vollständige und qualitativ einwandfreie Lieferung bedeutet.

Doch genau hier beginnt die Komplexität: Wann gilt eine Lieferung als „einwandfrei“ und was passiert, wenn Abweichungen vom geplanten Termin auftreten?

Was bedeutet „einwandfrei“ wirklich?

Die Definition einer einwandfreien Bestellposition geht über die bloße Einhaltung eines Liefertermins hinaus.

Der Lieferant muss die vereinbarte Menge in der geforderten Qualität und zu dem festgelegten Zeitpunkt liefern.

In der Praxis gibt es jedoch häufig Diskussionen darüber, wann eine Lieferung als einwandfrei gilt. So kann es zum Beispiel bei einer Lieferung von leicht abweichenden Mengen oder bei vorzeitigen Lieferungen zu unterschiedlichen Auffassungen zwischen Lieferant und Kunde kommen.

Ein oft vernachlässigter Aspekt ist, dass vorzeitige Lieferungen nicht unbedingt als positiv zu bewerten sind.

Zwar erfüllt der Lieferant seine Pflicht, aber vorzeitige Lieferungen können in der Praxis zu unerwarteten Lagerkosten und Problemen in der Produktionsplanung führen.

Die perfekte Lieferung erfolgt also nicht nur pünktlich, sondern auch genau dann, wenn sie im Produktionsprozess benötigt wird.

Statistische vs. realistische Liefertermine

Ein häufiger Fehler, der in der Lieferantenbewertung gemacht wird, ist die Verwechslung von statistischen und realistischen Lieferterminen.

Der statistische Liefertermin ist der ursprünglich vereinbarte Termin, der in der Bestellung festgehalten wurde. Der realistische Liefertermin hingegen ist derjenige, den der Lieferant tatsächlich erreichen kann.

Oft werden Liefertermine aus verschiedenen Gründen – sei es durch Verzögerungen in der Produktion oder der Logistik – angepasst, ohne dass dies klar kommuniziert wird.

Für eine faire Bewertung der LTT ist es daher wichtig, dass Unternehmen zwischen diesen beiden Terminen unterscheiden.

Wird der realistische Termin frühzeitig kommuniziert und vom Kunden akzeptiert, kann dieser Termin auch als Grundlage für die LTT dienen.

Fehlt jedoch diese Transparenz, führt dies zu Verzerrungen in der Bewertung und kann die Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Kunde belasten.

Zeitabschnitte als Grundlage der Bewertung

Um die Liefertermintreue sinnvoll zu bewerten, reicht es nicht aus, einzelne Lieferungen isoliert zu betrachten.

In vielen Fällen werden Lieferungen über Zeitabschnitte hinweg bewertet, wie es in der VDA-Empfehlung 5011 beschrieben wird.

Hierbei wird der Lieferprozess in feste Zeiträume unterteilt, innerhalb derer die Leistung des Lieferanten als Ganzes bewertet wird.

Zeitabschnitte Liefertermintreue

Ein Beispiel wäre die Bewertung über eine Woche: Ein Lieferant soll innerhalb einer Woche eine bestimmte Menge an Produkten liefern, verteilt auf mehrere Tage.

Erst am Ende der Woche wird geprüft, ob die Gesamtsumme der gelieferten Einheiten den Anforderungen entspricht.

Auf diese Weise wird vermieden, dass geringfügige Schwankungen innerhalb des Zeitabschnitts zu einer negativen Bewertung führen.

Voraussetzungen für eine korrekte Bewertung

Damit ein Zeitabschnitt als liefertreu bewertet werden kann, müssen zwei grundlegende Voraussetzungen erfüllt sein:

Die gelieferte Ist-Menge muss der Soll-Menge exakt entsprechen. Jede Abweichung, sei es eine Überlieferung oder ein Rückstand, führt zu einer negativen Bewertung.

Es dürfen keine offenen Rückstände aus früheren Zeitabschnitten bestehen. Auch wenn ein Lieferant in einem späteren Zeitabschnitt fehlende Mengen nachliefert, bleibt der ursprüngliche Zeitabschnitt als „nicht liefertreu“ bewertet.

Dies ist besonders wichtig, um die Planungssicherheit auf Kundenseite zu gewährleisten.

Ein Lieferant, der regelmäßig Rückstände aufholt, mag zwar bemüht sein, die Liefermengen zu erfüllen, doch für den Produktionsprozess des Kunden können solche Schwankungen erhebliche Störungen verursachen.

Umgang mit Rückständen und Überlieferungen

Die Art und Weise, wie ein Unternehmen mit Rückständen und Überlieferungen umgeht, beeinflusst die LTT-Bewertung maßgeblich.

Rückstände führen in der Regel zu negativen Bewertungen, da sie darauf hindeuten, dass der Lieferant seine Lieferverpflichtungen nicht im vorgegebenen Zeitrahmen erfüllt hat.

Überlieferungen hingegen werden nicht immer als positiv betrachtet, da sie die Lagerbestände des Kunden unerwartet erhöhen und damit Kosten verursachen können.

Die ideale Lieferung erfolgt immer genau im Rahmen der vereinbarten Menge und zum festgelegten Zeitpunkt.

Ein flexibler Umgang mit leichten Abweichungen ist jedoch oft nötig, um die Realität der Logistik abzubilden.

Die Bedeutung der LTT für die Lieferantenbewertung

Die Liefertermintreue ist einer der wichtigsten Indikatoren, um die Zuverlässigkeit eines Lieferanten zu bewerten.

Ein Lieferant, der regelmäßig seine Termine einhält, trägt maßgeblich zur Stabilität der Produktionsprozesse bei.

Eine niedrige LTT kann hingegen ein Zeichen dafür sein, dass der Lieferant Probleme hat, seine Prozesse zu steuern oder auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren.

Doch die LTT allein reicht nicht aus, um die Gesamtleistung eines Lieferanten zu bewerten.

Qualitative Faktoren wie die Flexibilität des Lieferanten, seine Innovationsbereitschaft und die Qualität der Kommunikation spielen ebenfalls eine Rolle.

Unternehmen sollten diese Kriterien in ihre Lieferantenbewertung einbeziehen, um eine ganzheitliche Bewertung zu gewährleisten.

Mehr als nur eine Zahl

  • Die Liefertermintreue (LTT) ist ein zentraler Bestandteil der Lieferantenbewertung, doch hinter dieser Kennzahl steckt weitaus mehr, als nur das Einhalten von Lieferterminen.
  • Sie gibt Aufschluss darüber, wie gut ein Lieferant seine Prozesse steuert, auf Veränderungen reagiert und seine Verpflichtungen erfüllt.
  • Unternehmen sollten jedoch die LTT nicht isoliert betrachten, sondern stets im Kontext qualitativer Kriterien bewerten.

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